Förderpreis 2011: Karin Glade

am 16. September 2011 im DGH

Förderpreisträgerin Karin Glade mit Laudator Werner Schmidt

Förderpreisträgerin Karin Glade mit Laudator Werner Schmidt

Gefördert wurden in diesem Jahr auch das Deichfest, die Initiative ‚Unser Dorf liest‘ („Ach du liebe ZEIT“),  die „Leinelöschis“ (Kinderfeuerwehr, -> eigene Homepage), ein Märchenprojekt des Kindergarten-Fördervereins, Herr Ewig (Vortrag zu Kirchenhistorie und Epitaphen), Sebastian Bischof (1. Platz im Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“, -> Interview und Hörprobe auf YouTube).


Zu Beginn der Veranstaltung gedachten die Besucher des Stiftungsfestes Claus-Dieter Gelbke, der am 14. September verstorben ist. Er war Stifter und  Mitglied des Beirates der Stiftung Bordenau. Als Historiker und Chronist  des Ortes leistete er über viele Jahre großartige Arbeit im Dienste der Stiftung Bordenau und des gesamten Ortes. Wir werden ihn sehr vermissen.  


Laudiatio von Werner Schmidt für den Förderpreisträger:

Sehr geehrte Damen und Herren,

alljährlich beim Stiftungsfest zeichnet die Stiftung Bordenau eine Person, eine Gruppe, eine Institution, die sich in und für Bordenau verdient gemacht hat, mit dem Förderpreis aus. Heute wird der 21. Förderpreis seit Bestehen der Stiftung Bordenau vergeben. Die in diesem Jahr zu ehrende Person ist einigen bereits bekannt, einigen aber noch nicht. Für ein paar Minuten soll es auch noch so bleiben. Außerdem gehört zu dieser Person eine Vorgeschichte,
in der eine andere Person eine auslösende Rolle spielt. Gestatten sie mir, ein wenig auszuholen, mit ihnen einen Zeitsprung zurück zu machen.
Wir schreiben den 24.Oktober 1885, sind im Theater an der Wien, dem Anlass entsprechend festlich gekleidet, und warten gespannt auf die Uraufführung der Operette „Der Zigeunerbaron“ von Johann Strauss. Das Eingangslied, in heutiger Ausdrucksweise ein Ohrwurm, ein Hit, ihnen allen geläufig: Wer hat den Liedtext „Ja, das Schreiben und das Lesen ist nie mein Fall gewesen, denn schon seit Kindesbeinen befasst ich mich mit Schweinen“ nicht schon gesummt oder gesungen.
Um aber unserer zu ehrenden Person gerecht zu werden, muss dieses Couplet verändert werden. Denn genau das Gegenteil zeichnet sie aus. Vielen Kindern und Jugendlichen den Zugang zum Lesen, ja das Bücherlesen zu ermöglichen, ist SEIN? ist IHR ? Pläsier gewesen und ist es heute noch.
Im Originaltext geht es mit Schweinezucht und daraus resultierend, mit Speck und Wurst weiter. Unwillkürlich entsteht das Bild, der Eindruck einer ländlich-dörflichen Umgebung. Um diesen Eindruck zu realisieren, machen wir den Zeitsprung nach vorne, gelangen in die Mitte der 70er Jahre des 20.Jahrhunderts, in ein Dorf an der Leine. Wir sind wieder in Bordenau ankommen.
Auf das, was es damals in Bordenau gab, oder auch nicht, will ich nicht weiter eingehen. Es gab auf jeden Fall im Dunst der Bordenauer Geschichte bereits erkennbar, unsere heutige Ehrenperson. Es gab auf jeden Fall Kinder und Jugendliche, die von Ritter-, Gespenster- und ähnlichen Geschichten, von Abenteuern in der großen weiten Welt, zu Lande, zu Wasser und in der Luft träumten. Wo aber konnte sie diese Geschichten bekommen und lesen?
Guter Rat, wie sich zeigen wird, war teuer. Es gab da einen Mann, liebevoll von Kindergenerationen Jo-Jo genannt, dem war schnell klar, viele Bücher müssen her. Selbstverständlich in einer„Öffentlichen Kinder- und Jugendbücherei“. Der Gemeinderat gab sich stark, war ja damals noch autark: „Dat hät wi nich – dat brukt wi nich!“

Natürlich gab es Bücher, Lesestoff in Bordenaus Haushalten, aber keine zum Ausleihen. Das ein oder andere Kinder- und Jugendbuch. Die Bibel. Im Katechismus, Gebote, Verbote und Moral. Edith Piaff, einmal gefragt, was für sie Moral sei, antwortete: „Moral heißt für mich, so zu leben, dass so zu leben keinen Spaß macht“. Oder Schulbücher, „Fibel für Niedersachen in Sütterlinschrift.“ „Tür und Tor“, „Moni und Udo“. „Die Nienburger Gartenlaube“. „Die Leine-Zeitung“.
Und dann war da noch „Der Hundertjährige Kalender“.
Hier war zu lesen: „Ist‘s am 16.September 2011 nass oder trocken, muss man nicht zu Hause hocken, im DGH die Stiftung macht ein wenig in Kultur, verteilt Preise, und dann kann man auch noch trinken und gute Häppchen essen.“ Fingerfood war in den 70ern noch nicht im Sprachgebrauch. Wir stellen gemeinsam fest: „Die Vorhersage stimmt.“ Aber konnte man mit diesem Lesestoff Kinder und Jugendliche locken?
Nein!
Bücher sind teuer, der Gemeinderat zierte sich noch. Sollte es deshalb in Bordenau keine „Öffentliche Kinder- und Jugendbücherei geben? Jo-Jo ließ sich von seiner Idee nicht abbringen. Er wusste den Amtsschimmel zu reiten. Der Bordenauer Gemeinderat genehmigte schließlich 20.000,00 DM. Im Rahmen der gerade stattfindenden Gebietsreform erhielt der Gemeinderat spä-ter 10.000,00 DM von Neustadt. Neustadt kennen sie?

Wenn nicht, das ist seit der Gebietsreform der etwas größere Vorort von Bordenau.
Als Raum für die Bücherei bot sich die Pausenhalle in der Grundschule an. Flugs wurde eingerichtet, Regale von Friedhelm Löffelholz gebaut, Bücher gekauft. Endlich geschafft! „Beileibe nicht“, sagte Jo-Jo. „Um diese Bücherei muss sich jemand kümmern. Dazu benötige ich bitte eine Bibliothekarin.“
Jetzt nähern wir uns endlich der zu ehrenden Person.
Wer von ihnen meine Damen und Herren, ein wenig im Denken um die Ecke geübt ist, kann in der vorgenannten Berufsbezeichnung einen Hinweis auf diese Person entdecken. Die künftige Bibliothe-Karin war schnell gefunden.
Es gab da eine Teilzeit-Sportlehrerin, seitens des Herrn Schulleiters auch ein wenig mit Büroarbeit beschäftigt, die sich der Literatur, der Bücher-, der Lesewelt verschrieben hatte. Eine Symbiose aus Körperertüchtigung, Führen, Verwalten einer Bücherei, das Wichtigste aber, Kindern und Jugendlichen das Lesen ermöglichen, mit Büchern vertraut machen, selbst vorlesen. Es schien für alle Beteiligten eine mehr als glückliche Lösung zu sein.
Diese Personalentscheidung hat für die Bordenauer Bücherei in der Schule bis heute Bestand. Wer jetzt an-fängt zu rechnen, 1974 – 2011, 37 Jahre sind vergangen, diese Sport-Bibliothe-Karin war doch 1974 auch schon ein paar Tage auf der Welt und wirkt heute, ehrenamtlich, immer noch? Das muss ja inzwischen ein graues, Bücherstaub bedecktes, Dutt-geschmücktes, dick bebrilltes, eulenäugiges Mäuschen sein!
Sachte, sachte, wer das denkt, kennt unsere Bibliothe-Karin, kennt unsere Karin Glade nicht. Damit ist die Katze aus dem Sack. Karin, sei so nett, komm bitte an meine Seite.
Seit Eröffnung der „Öffentlichen Kinder- und Jugendbücherei“,1974 in der Schule – am Rande bemerkt: damals die erste und richtungsweisende Bücherei im Schulbereich Neustadt – also seit damals ist Karin Glade mit Akribie, Fleiß und Kontinuität im Einsatz. Dank ihres Einsatzes, ihrer zielstrebigen kontinuierlichen Arbeit ist die Bücherei in der Schule zu einer aus Bordenau nicht mehr wegzudenkenden Einrichtung geworden.
Für ihren unermüdlichen Einsatz gibt es viele Beispiele. Zu viele, um sie hier alle aufzuzählen.
Die Bordenauer Gazette (hieß wirklich so, damalige Ortszeitung für Kultur, Sport, Politik, erschien von 1978 bis 1981, 15 Ausgaben) informiert in der Juliausgabe 1978, dass die Bücherei in der Schule auch während der Sommerferien an bestimmten Tagen geöffnet und Karin Glade vor Ort ist. Dem weiteren Auf- und Ausbau der Bücherei widmete sich Karin mit vollem Einsatz.

Kurzfristig waren auch Bücher für Erwachsene im Gespräch, aus Kosten- Platz-und Abwicklungsgründen wieder verworfen.
Die Aktualisierung der Buchbestände, die Verwaltung, Pflege und natürlich die regelmäßige Bücherausgabe, der regelmäßige Büchertausch, waren und sind genau das Richtige für Karin. Manches Kind hat einen Satz heiße Ohren bekommen, wenn Karin eine Rückgabe anmahnte, ein verschmutztes oder beschädigtes Buch zurück bekam. Die Bücherei war ihr Steckenpferd und ist es heute, ehrenamtlich, immer noch. Unzählige Stunden hat Karin in der und für die Bücherei aufgebracht.
Ihre erfolgreiche Arbeit soll auch mitverantwortlich für „Bordenau – Unser Dorf liest“, gewesen sein. So in einer bekannten Kolumne zu lesen.
Lesen ermöglichen, aber auch Vorlesen, wie schon erwähnt, war und ist ihr wichtig. Wer hat Karin nicht schon vorlesend im Kreise einer Kinderschar angetroffen? Viele Kinder wissen von unheimlichen, gruseligen Lesenächten mit Karin und dem Kollegium zu erzählen.
1994, 20 Jahre Schulbücherei, für Karin Glade und die Bücherei 20 erfolgreiche Jahre.
Alfred Klingebiel, Hans-Joachim Krebs (Schul-und Kulturamt) und Claudia Westphalen (Neustädter Stadtbibliothek) ehren Karin Glade mit Glückwünschen und einem Blumenstrauß. Da hat die Stiftung heute etwas mehr im Säckel!

Im November 2003, Gründung des Vereins „Stadtteilbücherei“, regelmäßige Zusammenkünfte und Erfahrungsaustausch. Sie ahnen es bereits, natürlich ist Karin dabei und steht als Schatzmeisterin in der Mitverantwortung. Selbstverständlich war auch die regelmäßige Kontaktpflege zu Stadtverwaltung und Stadtbücherei.
Ein Jahr später, also 2004, kam das unvermeidbare Ende, oder doch nicht? Karin Glade wird aus dem Schul-dienst entlassen. „Nun geht sie und bleibt doch noch“, Textzeile aus der bereits erwähnten Kolumne. „Auch im Ruhestand für Kinder da – Karin Glade verlässt die Bücherei nicht“ Titelzeile, Bericht der Leine-Zeitung. Sie blieb den Kindern, den Jugendlichen, der öffentlichen Bücherei, uns Bordenauern ehrenamtlich erhalten.
Immer wieder gab und gibt es Leseaktionen mit Karin Glade. Juli 2005, Artikel in der Neustädter Zeitung: „Lesenacht in der Bücherei“. „Unheimliche Gestalten“ wollen die Bücherei erkunden. Die Klasse 4a, zusammen mit Karin Glade, Barbara Brinkmann, Petra Ludwigs, wie die Kinder mit Taschenlampe und Schlafsack ausgestattet, wollen Detektiv spielen, lesen und vorlesen.
Einmal im Jahr ist Leseaktion mit Kinder- und Jugendbuch-Autoren in Zusammenarbeit mit dem Bödeker-Kreis.
Für die Folgejahre lassen sich solche Leseaktivitäten, die normale und notwendige Büchereiarbeit zu einer inzwischen langen Perlenkette reihen. Auf den Verschluss dieser Kette, so ist zu hoffen, wollen wir sehr gern noch viele Jahre warten. Jeden Montag von 8 bis 13 Uhr und von 16 bis 18 Uhr ist Karin in der Kinder- und Jugend-Bücherei anzutreffen. Etwa 3.000 Bücher stehen in den Regalen. Karin kennt die genaue Zahl.
Karin ist In den Vormittagstunden mit Büchertausch, mit Kindern der jeweiligen Klasse lesend, mit lesen Lassen oder Vorlesen beschäftigt. In den Nachmittagsstunden kommen Eltern mit Kindern, Großeltern mit Enkelkindern, Jugendliche, um sich von ihr geeignete Bücher vorschlagen zu lassen und auszuleihen. Karin, 37 Jahre sind vergangen, davon inzwischen 7 Jahre, seit 2004, bist Du ehrenamtlich, mit vollem Einsatz in der „Öffentlichen Kinder- und Jugendbücherei“ tätig.
Viel gäbe es noch zu sagen. Hier erlaube ich mir festzustellen und denke, dass ich damit auch die Zustimmung der hier Anwesenden finde: „Karin, Du bist innerhalb der Bordenauer Grundschule zu einer Institution geworden, Du bist eine Bordenauer Persönlichkeit.“
Im Namen der Bordenauer Dorfgemeinschaft, im Namen der Stiftung Bordenau danke ich Dir für Deinen unermütlichen Einsatz und gebe der Hoffnung Ausdruck, dass Du der Kinder- und Jugendbücherei noch lange erhalten bleibst.

Entsprechend der Stiftungssatzung hast Du dich „in und für Bordenau verdient gemacht“.
Die Stiftung ehrt und zeichnet Dich urkundlich, verbrämt mit ein paar Euros, mit dem Förderpreis 2011 aus. Herzlichen Glückwunsch!

Werner Schmidt

(Überreichung einer Mappe mit Erinnerungen, Zeitungsartikeln, Bildern, Buchtiteln, von Klaus Joseph, Claus-Dieter Gelbke und dem Kollegium)

Im Rahmenprogramm traten auf: Sebastian Bischoff (Klavier), die Handharmonika-Gruppe, Maike Sage und Stephan Guttenberger (Deutsche Meister 2009 und Norddeutsche Meister 2011 im Discofox), die Initiative „Unser Dorf liest“ (Sketch), Andreas Hagemann (Gitarre und Gesang)